„Zuversichtlich, solidarisch, nachhaltig“ – Und geschlechtergerecht?

„Zuversichtlich, solidarisch, nachhaltig“ – Und geschlechtergerecht?

„Zuversichtlich, solidarisch, nachhaltig“ – Und geschlechtergerecht? | 24. Juni 2020

Der Landesfrauenrat Hamburg gratuliert dem Ersten Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher und der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank zur Wiederwahl und wünscht dem neuen Senat für die neue Legislaturperiode alles Gute.

Der Landesfrauenrat Hamburg e.V. will einige Punkte des Koalitionsvertrages besonders hervorheben. Er begrüßt gute Ansätze, wie zum Beispiel die Weiterentwicklung des Gleichstellungsmonitors, der sich als wirksames Instrument zur Sichtbarmachung von Ungleichbehandlungen von Frauen erwiesen hat und den Willen, spezielle arbeitsmarktpolitische Projekte für Alleinerziehende zu schaffen. Außerdem sind die Bemühungen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und die Fortsetzung der Kampagne „Hamburg – Stadt ohne Partnergewalt“ positiv zu bewerten.

Insgesamt ist der Landesfrauenrat Hamburg e.V. unter frauen- und gleichstellungspolitischen Gesichtspunkten von der Koalitionsvereinbarung enttäuscht. Nach 70 Jahren ist die vollständige Umsetzung des Verfassungsauftrags aus Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes noch nicht erreicht – die langfristige und nachhaltige strukturelle Verankerung der Gleichstellung bleibt vage.

„Parité-Gesetz – Die Hälfte der Macht den Frauen“ – aber nicht im Senat? Das Versprechen, sich für ein Paritätsgesetz einzusetzen, ist vor dem Hintergrund der kürzlich erfolgten, nicht paritätischen, Senatsbesetzung, wenig glaubwürdig. Wir betonen, wie elementar die Sichtbarkeit von Frauen in allen politischen Ämtern für die Geschlechtergleichstellung ist und fordern eine Korrektur der Senatsbesetzung.

Gute Arbeit für alle Frauen. Der Landesfrauenrat vermisst Aussagen zur Arbeitsmarktsituation von Frauen. In Corona-Zeiten hat sich die viel zu hohe prekäre Beschäftigung der Frauen als besonders nachteilig erwiesen. Hier ist ein ganzheitlicher Ansatz erforderlich, der alle Frauen, unabhängig von ihrer Herkunft, aus allen sozialen Schichten, beruflichen Situationen und Stadtteilen im Blick hat. Der unbezahlten Care Arbeit von Frauen wurde in der Vereinbarung zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Dass in der Hamburger Justiz eine Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen angestrebt wird, ist zu begrüßen. Wir sehen allerdings nicht, wie einer strukturellen Benachteiligung von Frauen unter Beibehaltung der „Männerquote“ nachhaltig entgegengewirkt werden soll.

Was die Einführung eines geschlechtergerechten Haushaltes (Gender Budgeting) anbelangt, eine unserer zentralen Forderungen der letzten Jahre, weisen wir darauf hin, dass unsere Forderung nicht nur auf die Transparenz der geschlechterbezogenen Verteilung abzielt, sondern darauf, dass eine tatsächlich geschlechtergerechte Verteilung von Geldern erreicht werden muss. Wir erwarten, dass die Umsetzung des geschlechtergerechten Haushalts zeitnah für den nächsten Doppelhaushalt umgesetzt wird und sich alle Behörden dazu bekennen.

Frauen müssen in den Fokus. Die langfristige personelle und institutionelle Ausrichtung von Gleichstellung in Hamburg bleibt vage. Diese spiegelt eine strukturelle Aufwertung des Themas der Gleichstellung von Frauen und Männern nicht wieder. Dabei muss die geschlechtsbezogene Diskriminierung von Frauen schon deswegen Augenmerk sein, weil sie sich auf die Ungleichbehandlung aufgrund anderer Diskriminierungsmerkmale, z.B. der sexuellen Orientierung, auswirkt und diese verstärkt. Auch das gebietet Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes.

Was die Erfassung geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen angeht, begrüßen wir die gezielte statistische Erfassung von sexistischer Hasskriminalität gegen Frauen und weisen darauf hin, dass eine Erfassung von Femiziden unabdingbarer Bestandteil hiervon sein muss.

Die Vereinigung von 60 Hamburger Frauenverbänden wird in den nächsten fünf Jahren die Umsetzung der Aussagen der Koalitionsvereinbarung kritisch begleiten und kommentieren.

Die Stellungnahme ist auch als pdf verfügbar.