Stolpersteinverlegung für vier jüdische Lehrerinnen

Stolpersteinverlegung für vier jüdische Lehrerinnen

Stolpersteinverlegung für vier jüdische Lehrerinnen I 27. Juni 2020

Am 27. Juni fand eine Verlegung von Stolpersteinen für die vier deportierten jüdischen Lehrerinnen Flora Rosenbaum, Rebecka Cohn, Eva Kissinger und Theresa Löwenthal der Israelitischen Höheren Töchterschule in der Biberstraße 4 im Beisein des Künstlers Günther Demnig statt. Patinnen sind Frauen und Verbände des Landesfrauenrates Hamburg e.V., denen es ein Bedürfnis ist, ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen, gegen Hass und Rassismus und eine Würdigung der Opfer zu setzen.

Im Anschluss an die Stolpersteinverlegung führte Dr. Rita Bake die Patinnen und Bezirkspolitiker*innen durch die Grindel-Nachbarschaft und berichtete über weibliche Opfer und Verfolgte des NS-Regimes, von stillen Helferinnen, Widerständigen und NS-Angepassten.

Unsere 3. Vorsitzende, Carmen Zakrzewski, richtete in ihrer Rede folgende Worte an die Teilnehmer*innen:

Am 21. September 2018 standen einige von uns im Durchschnitt 8, einer kleinen Straße um die Ecke des Standorts des Landesfrauenrates. Damals gedachten wir bei strömendem Regen der drei Schwestern Betti, Ella und Henriette Rosenblum. Sie wurden ermordet von Nationalsozialisten, weil sie Jüdinnen waren.

Fast 18 Monate später stehen wir gemeinsam in der Bieberstraße um 4 Frauen zu gedenken.

Es ist mir ein Bedürfnis ihre Namen zu nennen, Flora Rosenbaum, Rebecka Cohn, Therese Löwenbaum, Eva Kissinger – ebenfalls ermordet von den Nationalsozialisten, weil sie Jüdinnen waren.

Unschuldige Menschen, wie über 6 Millionen andere auch, verängstigt, verfolgt und dem Leben entrissen – weil sich andere über ihre Religion, ihre Kultur, ihrer Ethnie stellten, sich für die Herrenmenschen hielten und die anderen für Untermenschen. Begriffe die uns schaudern lassen.

Wir Frauen im Landesfrauenrat wollen diese Zeit von 1933 bis 1945 nicht vergessen. Wir wollen uns erinnern, den Opfern Namen geben und die Täter, die ihre Gesinnung bis in unsere Zeit senden entlarven und anprangern – wir wollen verhindern, dass Menschen an die Macht kommen, die die Würde anderer Menschen missachten, denn wir stehen zu unserem Grundgesetz:

Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Und der Staat sind wir alle.

Die Patenschaften für Stolpersteine zu übernehmen ist uns Patinnen ein Bedürfnis. Es ist für uns ein sichtbares Zeichen gegen das Vergessen, gegen Hass und Rassismus und eine Würdigung der Opfer.

Und ich denke, wenn Frau Dr. Rita Bake uns wieder einmal anspricht, weitere vergessene weibliche Opfer mit ihren Biografien lebendig werden lässt – was wir gleich auf dem Rundgang erleben – wird es nicht lange dauern und weitere Patinnen gefunden werden.

Um zu dokumentieren, wo wir heute stehen, möchte ich Esther Bejarano zitieren.
Sie hat Ausschwitz überlebt – ist heute 95 Jahre.

Es ist noch nicht lange her, da sagte sie:

„Ich finde, dass es eine ganz schlimme Zeit ist für uns. Ich sehe viele Parallelen zur damaligen Zeit. Ich habe das damals alles miterlebt und ich weiß, wie sich das entwickelt hat. Das war damals genauso. Viele Nazigruppen waren da, die sich dann zusammengefunden haben in der NSDAP. Und dann sind die groß geworden. Man hat geschwiegen. Man hat nichts gemacht. Und was ist daraus geworden? Ich habe meine Familie, ich habe meine Eltern verloren, die sind alle ermordet worden von den Nazis. Also wie kann ich die heutige Zeit sehen? Nur mit einem wirklichen Schrecken.“

Über diese Worte sollten wir nachdenken, wenn wir über den NSU-Prozess oder über die Ermordung des Politikers Walther Lübckes lesen, wenn das Haus ausländischer Mitbürgerinnen brennt oder wenn wir die aktuelle Rassismus Diskussion verfolgen. Rechte Gesinnung, ausgrenzendes Denken und Handeln ist kein Phänomen des gesellschaftlichen Randes, es ist in allen Schichten angekommen.

Wir bleiben wachsam, nie wieder sollen Frauen, Männer, Kinder – Junge und Alte der Willkür in unserem Land ausgesetzt sein – deshalb sind wir Patinnen.